Ist Filtern gut?
Die moderne Informationsgesellschaft und insbesondere das Internet sind eine Herausforderung für die Charta der Grundrechte der EU. Der Vertrag von Amsterdam, der am 1. Mai 1999 in Kraft trat, führte als allgemeines Prinzip ein, dass die EU die Menschenrechte und Grundfreiheiten respektieren sollte, auf die die Union aufgebaut ist (Art. 6 EUV). Die moderne Informationsgesellschaft fordert die Ausgewogenheit zwischen folgenden Rechten heraus:
- Artikel 11, Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit:
die Freiheit, sogar ungehörige, obszöne oder belästigende Inhalte zu produzieren und zu veröffentlichen, die auch nicht von öffentlichen Stellen zensiert werden dürfen; - Artikel 10, Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit:
die Freiheit für die Entscheidung, bei der Erforschung neuer Informationsgebiete nicht bevormundet zu werden, wodurch der grundsätzliche Wunsch Jugendlicher anerkannt wird, zu experimentieren; - Artikel 1, Menschenwürde:
das Recht, nicht auf eine unausweichliche Weise an ungehörige, obszöne oder belästigende Inhalt ausgesetzt zu sein; - Artikel 14, Recht auf Bildung:
das Recht, in der Informationsgesellschaft auf angemessene Weise geleitet zu werden, und das Recht der Eltern, sicherzustellen, dass die Ausbildung und Schulbildung ihrer Kinder ihren religiösen, philosophischen und pädagogischen Überzeugungen entspricht.
Die moderne Informationsgesellschaft fordert jedoch nicht nur die Ausgewogenheit heraus, sie stellt auch die Rolle staatlicher Stellen in Bezug auf Selbstregulierung in Frage.
1996 brachte die EU-Kommission ein Grünbuch über den Jugendschutz und den Schutz der Menschenwürde heraus, das die Richtlinie über „Fernsehen ohne Grenzen“ unterstützte. Es beschrieb den Wechsel des audiovisuellen „Konsums“ weg von den Massenmedien und hin zum Konsum moderner technologischer Medien wie Internet und Bezahlfernsehen, wodurch sich eine Globalisierung von Informationen über die nationalen und selbst über die europäischen Grenzen hinweg ergibt. Und auch wenn Europa die Redefreiheit verteidigt, so gibt es doch eine Pflicht, Minderjährige von potentiell schädigenden Inhalten zu schützen, die sich aus dem Schutz des öffentlichen Interesses ergibt.
Das Grünbuch steht für das Ende einer Ära traditioneller Filmkontrolle und den Beginn einer modernen Art und Weise, die pädagogische Qualität visuellen Materials zu kontrollieren. Es betonte auch den Unterschied zwischen illegalen und potentiell schädigenden Inhalten. Verletzende oder schädigende Inhalte umfassen Pornografie, Geldspiele und Medikamentenverkäufe, während zu den illegalen Inhalten beispielsweise unlizenzierte Urheberrechte, Kinderpornografie und Voyeurismus gehören.
Die Studie über das Programm „Safer Internet – Benchmarking von Filtersoftware und -dienstleistungen“ ermöglichte zwar das Filtern, muss aber auch beurteilen, ob die Produkte und Dienstleistungen es den Benutzern und ihren Betreuern ermöglicht, das EU-Recht im Hinblick auf Meinungsfreiheit und Datenschutz einzuhalten.